Sekundärregelleistung, auch als Sekundärreserve oder kurz SRL bekannt, ist eine Schutzeinrichtung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zur Sicherstellung der Stromnetzfrequenzstabilität. Die ÜNB fordern Sekundärreserve an, wenn die Stromnetzfrequenz einen bestimmten Toleranzwert entweder über- oder unterschreitet.
Die SRL ist der Primärreserve (PRL) nachgeordnet und dient als zweite Sicherung der Netzstabilität. Sie kann als positive SRL dem Stromnetz bei Unterspeisung zusätzlichen Strom zuführen oder als negative SRL dem Stromnetz bei Überspeisung Strom entnehmen. Negative SRL ist nicht nur von Stromproduzenten, sondern auch von Stromverbrauchern bereitstellbar.
Im Unterschied zu Primärreserve ist die Sekundärreserve nicht im Verbund der europäischen Übertragungsnetzbetreiber organisiert, sondern liegt in der Verantwortung des regionalen oder nationalen ÜNBs, in Österreich ist die die APG (Austrian Power Grid AG). Es gibt jedoch auch in der SRL Verpflichtungen zum gegenseitigen, grenzüberschreitenden Datenaustausch zwischen den Netzbetreibern um Netzschwankungen bei Bedarf koordiniert entgegenzuwirken.
Diese im Abkommen über den Europäischen Netzregelverbund getroffenen Vereinbarungen stellen sicher, dass im Falle einer Unter- bzw. Überspeisung in benachbarten Übertragungsnetzen die Frequenzabweichungen nicht unnötigerweise und kostenintensiv gegeneinander, sondern produktiv miteinander beseitigt werden. Diese sogenannte "Ausregelung" über Grenzen der einzelnen Übertragungsnetze hinweg kann Schwankungen viel effizienter und kostengünstiger ausgleichen.
Insbesondere gut regelbare und vollautomatisch per Fernwirkeinrichtung schaltbare Kraftwerke stellen Sekundärreserve bereit. Dies sind klassisch Pumpspeicherkraftwerke und Gasturbinen, aber auch über Virtuelle Kraftwerke zusammengeschlossene Anlagen zur Erzeugung von Strom Erneuerbaren Energien aus Biogas, Wasserkraft und Stromspeicher sowie Power-to-X-Anlagen.
Sekundärreserve wird bisher zumeist von gut regelbaren und vollautomatisch schaltbaren Kraftwerken, wie z.B. Pumpspeicherkraftwerken oder Gasturbinen, bereitgestellt. Auch Virtuelle Kraftwerke aus Biogasanlagen oder BHKWs können Sekundärregelleistung zur Netzstabilität hinzusteuern. Bei Netzschwankungen, die länger als 15 Minuten andauern, löst die längerfristige Tertiärreserve die Sekundärreserve ab.
Die Sekundärreserve wirkt als zweite, netzstabilisierende Instanz nach der Primärreserve. Sie muss innerhalb von 5 Minuten bereitstehen um die Primärreserve abzulösen. Um diese schnelle Bereitstellung zu gewährleisten sind alle Teilnehmer am SRL-Markt über eine bidirektionale Datenverbindung mit dem Leitsystem der APG verbunden. Diese betreibt einen Leistungsfrequenzregler, der die Sekundärreserveabrufe vollautomatisch auf die teilnehmenden und bezuschlagten SRL-Anbieter verteilt. Genau wie in der Primärreserve müssen Anbieter von SRL einen Rahmenvertrag mit der APG schließen und einen Präqualifikationsprozess durchlaufen. Die Ausgestaltung dieses Prozesses hängt von der eingesetzten Technik ab und simuliert einen Regelenergieabruf durch den Übertragungsnetzbetreiber.
Der Handel mit Sekundärregelleistung funktioniert im Rahmen eines Auktionsprinzips: Anbieter von SRL geben an jedem Kalendertag Gebote für positive (dem Netz zufließende) oder negative (dem Netz zu entnehmende) Sekundärregelleistung ab. Anschließend ordnet die APG diese Gebote in einer sogenannten Merit Order Liste von niedrig nach hoch an. Die günstigsten Angebote werden schnell bezuschlagt, je nach tatsächlichem Bedarf an Regelenergie kommen auch die teureren bis teuersten Gebote zum Zug. Bezuschlagte Anbieter erhalten jetzt bereits den sogenannten Leistungspreis für die Bereitstellung ihrer Sekundärregelleistung.
Der eigentliche Abruf der SRL findet dann im Rahmen einer Kooperation mit dem deutschen Regelenergiemarkt statt. So soll ein grenzüberschreitender, kostenoptimierter Abruf ermöglicht werden – eine gemeinsame Ausschreibung findet derzeit allerdings noch nicht statt. Deutschland und Österreich beschaffen zunächst ihren Bedarf an Sekundärregelleistung eigenständig, dann führen sie ihre bezuschlagten Angebote in einer gemeinsamen Merit-Order-Liste zum Abruf zusammen. Diese auch C-MOL genannte Liste umfasst dann sowohl die deutschen als auch die österreichischen, abrufbereiten SRL-Zuschläge. Bei Zuschlag und Regelenergieabruf erhalten Anbieter nun, zusätzlich zum Leistungspreis, den Arbeitspreis.
Die Vergütung in der SRL teilt sich in Leistungspreis und Arbeitspreis auf. Beide Preise müssen bereits bei der Gebotsabgabe genannt werden. Der Leistungspreis entscheidet über die Höhe der Vergütung für die Bereitstellung der Regelenergie, der Arbeitspreis über die Vergütung des tatsächlichen Abrufs.
Betreiber von stromerzeugenden, stromverbrauchenden oder stromspeichernden Anlagen erhalten für die Bereitschaft, ihre installierte Leistung im Abrufsfall als Regelleistung zur Verfügung zu stellen, den sogenannten Leistungspreis. Dieser Leistungspreis, eine Bereitschaftsvergütung, wird in einem Pay-as-Bid-Verfahren bestimmt. Jeder Anbieter kann so gegenüber der APG die Höhe seines Leistungspreises anhand der individuellen Kosten für seine Bereitstellung bestimmen.
Die gesammelten Leistungspreise der Marktteilnehmer ordnet die APG in eine sogenannte Merit-Order-Liste, kurz auch MOL genannt, von niedrig nach hoch ein. Der Zuschlag erfolgt zunächst für die niedrigen Gebote, bis zur Deckung des Bedarfs kommen dann die jeweils nächsthöheren Angebote zum Zuge.
Die Leistungspreise am Regelenergiemarkt schwanken stark, hauptsächlich aufgrund von Marktentwicklungen und saisonalen Gegebenheiten. Insgesamt ist jedoch über die vergangenen Jahre ein sinkender Trend bei den durchschnittlichen Leistungspreisen zu erkennen. Ein Grund hierfür ist die gesunkene Eintrittsschwelle in den Regelenergiemarkt von ursprünglich 10 MW auf 5 MW und schließlich auf 1 MW installierter Leistung der bereitstellenden Anlage. Ob sich der sinkende Trend bei den Leistungspreisen fortsetzt, hängt nicht zuletzt von der regulatorischen Ausgestaltung des Regelenergiemarktes in Deutschland und Österreich ab.
Sobald ein Anbieter, dies kann ein Regelenergiepool oder eine einzelne Anlage sein, aus der Merit-Order-Liste für den Bereitstellungspool den Zuschlag erhält, entscheidet der gebotene Arbeitspreis über den tatsächlichen Abruf der gebotenen Leistung. Auch hierbei handelt es sich um ein Pay-as-Bid-Verfahren, jeder Anbieter kann seinen eigenen Arbeitspreis festlegen. Die APG reiht die Arbeitspreise erneut in einer Merit-Order-Liste vom niedrigsten bis zum höchsten Gebot auf und ruft nun so lange die gebotenen Regelenergiemengen ab, bis der Bedarf gestillt ist. Das Pay-as-Bid-Verfahren gewährleistet, dass die Vorhaltung und Erbringung von SRL für den ÜNB und damit für die Allgemeinheit über die Netzentgelte so günstig wie möglich bleibt. Leider bedeutet dies aber auch, dass Anlagen mit sehr teuren Arbeitspreisen sehr selten abgerufen werden.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.