Regelenergie, auch Regelleistung genannt, ist eine Reserve zum Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz. Diese Schwankungen drücken sich in einem Absinken oder Ansteigen der Stromnetzfrequenz von nominell 50 Hertz aus. Bei einem Einsatz von Regelenergie kann dem Stromnetz sowohl Strom entnommen (negative Regelenergie) als auch zugeführt werden (positive Regelenergie). Regelenergie kann aus Stromerzeugungsanlagen und Stromspeichern bereitgestellt werden, negative Regelenergie auch aus Stromverbrauchsprozessen.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien führt durch den wachsenden Einfluss von Wind- und Sonnenenergie zu Schwankungen im Stromnetz. Doch nicht nur das Wetter, auch Stromverbraucher verursachen mit unregelmäßigen Lastprofilen Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage. Dennoch sind Stromausfälle in Österreich sehr selten – der Regelenergie und einer immer besseren Prognosequalität für Stromerzeugung und-verbrauch sei dank. Die zunehmende Digitalisierung im Stromnetz, vornehmlich im Bereich der Erneuerbaren Energien in Form von Virtuellen Kraftwerken, ermöglicht es immer besser, den Verpflichtungen für eine möglichst genaue Einspeisung und einen möglichst genauen, geplanten Stromverbrauch nachzukommen.
Gleichzeitig sind immer mehr Anlagen in Österreich in der Lage, kurzfristig und schnell große Mengen an Regelleistung als Primärreserve, Sekundärreserve und Tertiärreserve bereitzustellen. Während bei der Primärreserve der Ausgleich kontinuierlich und sekundenschnell anhand einer Netzfrequenzmessung erfolgt, werden für die Sekundärreserve und die Tertiärreserve Abrufbefehle des Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid herausgegeben, die innerhalb von fünf Minuten beziehungsweise 15 Minuten durch die angeschlossenen Anlagen beantwortet werden müssen. Die Anbindung der Anlagen erfolgt dabei über digitale Schnittstellen zum bidirektionalen Datenaustausch.
Im Stromnetz kann es nicht nur zu einer Stromknappheit, sondern auch zu einem Überangebot kommen. Dies ist beispielsweise bei Schneeschmelze oder starken Regenfällen in der Wasserkraft oder bei Sturmlagen in der Windenergie der Fall. Um diese zusätzlichen Strommenge, die das Stromnetz überlasten können, wirksam abzufangen müssen nun entweder Stromproduzenten die Einspeisung drosseln, Stromverbraucher ihre Verbrauchsprozesse hochfahren oder Stromspeicher Strom einspeichern. Alle Maßnahmen sorgen für eine Entlastung des Netzes und werden als negative Regelenergie in der Sekundärregelleistung (negative SRL) und Tertiärregelleistung (negative TRL) von der APG veranlasst und vergütet.
Ist hingegen zu wenig Strom im Netz, können Stromproduzenten auf Abruf ihre Stromproduktion erhöhen und Speicher den eingelagerten Strom einspeisen – positive Regelenergie wird entweder als SRL oder TRL eingespeist. Die Primärregelleistung kennt die Unterscheidung zwischen positiv und negativ nicht, sie stellt die Regelleistung kontinuierlich in einem sogenannten Leistungsband zur Verfügung. Hier muss der Stromerzeuger oder Speicher sekundenschnell in der Lage sein, die vor Ort an der Anlage gemessene Stromnetzfrequenz durch Steuerbefehle auszugleichen.
Wichtig zur Abgrenzung: Netzstabilisierungsmaßnahmen wie die Zwangsabregelung von Stromerzeugern im Einspeisemanagement bei Überspeisung des Stromnetzes sind nicht dem Regelenergiekomplex, sondern den Notmaßnahmen in Folge von Großstörungen zuzuordnen.
In Österreich muss der Übertragungsnetzbetreiber APG Regelenergie in der Sekundär- und Tertiärreserve vorhalten. Aus Effizienzgründen findet diese Vorhaltung in einem gemeinsamen Marktumfeld mit Deutschland statt, zusammen werden zu jedem Zeitpunkt zwischen 2.500 und 3.500 Megawatt Regelenergie vorgehalten. Mit der Entkoppelung von Stromerzeugern und Stromnetzen sind die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber und die APG darauf angewiesen, Regelenergie bei den Stromproduzenten einzukaufen. Dies findet in Form von Ausschreibungen statt, für die Regelenergieanbieter getrennte Gebote für die Bereitstellung (Leistungspreise) und die tatsächliche Lieferung von Regelenergie (Arbeitspreise) abgeben können.
Die Ausschreibung für die Leistungspreise findet noch auf nationaler Ebene statt: Die APG sammelt die Gebote der einzelnen SRL- und TRL-Anbieter ein und ordnet sie in einer sogenannten Merit-Order-Liste an. Diese staffelt die Leistungspreise von niedrig nach teuer bis zur Deckung des ausgeschriebenen Bedarfs. Sobald die Leistungspreis-Merit-Order für Österreich feststeht, wird sie mit der deutschen Leistungspreis-Merit-Order-Liste zur "Common Merit-Order-List" oder auch C-MOL vereinigt. Aus dieser können die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber und die APG nun die tatsächlich benötigten Regelenergiepakete abrufen, für die dann der Arbeitspreis bezahlt wird.
In der Auktion für die Leistungspreise bezuschlagt die APG die abgegebenen Gebote der Regelenergieanbieter bis zur Bedarfsdeckung der vorzuhaltenden Regelleistung. Seit dem 16. Oktober 2018 wird dem Leistungspreis zusätzlich über einen Gewichtungsfaktor ein Teil des gebotenen Arbeitspreises aufgeschlagen; gehandelt wird daher im sogenannten "Mischpreisverfahren". Der Gewichtungsfaktor basiert dabei auf der "durchschnittlichen Aktivierungswahrscheinlichkeit von Geboten der jeweiligen Regelenergieart", wie die federführende deutsche Bundenetzagentur argumentiert. Der Zuschlag für die in der Merit-Order-Liste aufsteigend aufgereihten Angebote erfolgt nun zunächst für die günstigsten Gebote. So sollen die Kosten für die Vorhaltung der Regelleistungskapazitäten möglichst niedrig gehalten werden. Die bezuschlagten Gebote warten nun im sogenannten Bereitstellungspool auf ihren Abruf.
Gemeinsam mit der österreichischen APG kommen nun die deutschen Übertragungsnetzbetreiber ins Spiel. Sie rufen, je nach Bedarf im Stromnetz, die Regelenergie aus dem deutsch-österreischen Bereitstellungspool ab. Erfolgt der Abruf, erhält der Anbieter zusätzlich zum gebotenen Leistungspreis den gebotenen Arbeitspreis in genau der Höhe ausgezahlt, die er auch zuvor geboten hat (Pay-as-Bid-Verfahren).
Die Regelenergie finanziert sich sowohl über die Netznutzungsentgelte als auch über den Ausgleichsenergiemechanismus. Erstere müssen alle Stromverbraucher zahlen, da sie durch die Regelenergie eine störungsfreie Stromversorgung erhalten. Die Einnahmen des Ausgleichsenergiemechanismus entstehen, wenn EVUs, Netzbetreiber und andere bilanzkreisführende Institutionen am Strommarkt ihre Einspeise- und Entnahmeprognosen nicht halten können und dies in Form von Ausgleichsenergiekosten bezahlen müssen.
Die "Stundenreserve" ist nicht Teil des Regelenergiemarktes; sie entlässt die Übertragungnetzbetreiber aus ihrer Haftung für die Netzfrequenzschwankung. Die Stundenreserve löst nach maximal 60 Minuten die Tertiärreserve ab, nun ist der Verursacher der Netzfrequenzschwankungen, egal ob Stromproduzent oder Großverbraucher, für die Behebung des Ungleichgewichts verantwortlich. Dies können Energieversorger durch eine Steigerung oder Drosselung ihrer Kraftwerke ermöglichen, Verbraucher können Last vom Netz nehmen. Zusätzlich können Fehlmengen im Intraday-Handel an der EPEX SPOT oder im OTC (Over-the-Counter)-Handel beschafft werden. Die Stundenreserve kommt jedoch nur bei wirklichen Großstörungen, wie zum Beispiel dem Ausfall eines kompletten Kraftwerksblocks, zum Einsatz.
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